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Studieren und mehr in Südafrika: Mein Semester in Stellenbosch

Ein Erlebnisbericht von Jakob Niemeyer (Sommer 2009)

Leider ist mein Auslandssemester an der Universiteit Stellenbosch, Südafrika, schon vorbei. Ich habe diese Universität im Zeitraum vom Januar 2009 bis zum Juni 2009 besucht.

Aber von vorn: Anfang 2008 wurde der Wunsch nach einem Auslandssemester immer größer. Zum einen wollte ich ein wenig Abstand vom stressigen Studentenleben in Bremen haben, und zum anderen wollte ich ein fremdes Land mit einer anderen Kultur kennen lernen. Da ich von Afrika schon immer fasziniert war und die Universität Bremen einen Kooperationsvertrag mit der Universiteit Stellenbosch abgeschlossen hatte, war die Entscheidung, an welcher Hochschule ich für ein halbes Jahr studieren möchte, sehr einfach. Aber jetzt begann der schwierigste Teil von allem: die Bewerbung und Vorbereitung. Um sich über ein mögliches Auslandssemester zu informieren, gab es zahlreiche Möglichkeiten, wie z.B. die Internetseiten des International Office der Universität Bremen und die der Universiteit Stellenbosch.
Meine größte Schwierigkeit bestand darin zu wissen, was ich wann machen musste. Nachdem ich die Zusage von meiner Kooperationsbeauftragten bekommen hatte, musste ich dann noch auf eine Zusage der Universiteit Stellenbosch warten. Diese Zusage kam in meinem Fall sehr spät an, da es ein paar Schwierigkeiten mit der Post gab. Als diese eintraf, musste ich mich um ein Visum für Südafrika kümmern, was einen großen administrativen Aufwand bedeutete. Ich musste mir dazu einige gesundheitliche Bescheinigungen, ein polizeiliches Führungszeugnis und andere Zertifikate ausstellen lassen. Rückblickend würde ich mir beim nächsten Mal für diese Prozedur mehr Zeit einplanen.
Statue von J.H. Marais of Coetzenburg, einer der Finanziers der Universiteit Stellenbosch Statue von J.H. Marais of Coetzenburg, einer der Finanziers der Universiteit Stellenbosch

Als das Visum zwei Tage vor meinem Abflug eintraf, war ich endlich für mein Auslandssemester gerüstet. Ich habe mich als Mathematikstudent an der Universität beworben und wollte auch mathematische Vorlesungen besuchen. Ich hätte aber auch ohne Probleme Veranstaltungen aus anderen Bereichen besuchen können. Nun gab es an der Universiteit Stellenbosch zwei verschiedene mathematische Fakultäten, die reine und die angewandte Mathematik. Da mein Studiengang eher angewandt ist, entschied ich mich für zwei angewandte Vorlesungen: „Applied Discrete Mathematics“ und „Partial Differential Equations“. Ersteres wurde für die Einheimischen im dritten Studienjahr angeboten und handelt von Kryptologie und Graphentheorie. Die Vorlesung an sich wurde größtenteils auf Afrikaans gehalten, jedoch gab es ein englisches Skript, welches sehr hilfreich war. Die zweite Vorlesung war für Studenten im Masterstudiengang und wurde auf Englisch gehalten. Wie der Titel schon sagt ging es um partielle Differentialgleichungen und verschiedene Lösungsverfahren.

Eingang zur JS Gericke Library (die größte unterirdische Bibliothek der Welt)Eingang zur JS Gericke Library (die größte unterirdische Bibliothek der Welt)
Das Niveau beider Vorlesungen war nicht mit dem Niveau deutscher Mathematikvorlesungen zu vergleichbar. Die Vorlesungen ähnelten mehr Schulunterricht und es wurden kaum Beweise behandelt, und wenn doch, waren die Beweise meist trivial. Jedoch konnte das niedrige Niveau auch an der Wahl der Fakultät gelegen haben. Eine andere deutsche Mathematikstudentin zum Beispiel hat sich an einem Masterprogramm an der reinen Fakultät an der Universiteit Stellenbosch eingeschrieben und sie schätzte das Niveau ungleich höher und mit Deutschland vergleichbar ein.
Ich wollte eigentlich noch eine Vorlesung aus einem meiner Nebenfächer (Physik, Informatik) besuchen, jedoch war die Auswahl an Vorlesungen hier eher beschränkt: Die physikalische Fakultät bot keine Vorlesungen zu meinem Schwerpunkt (Umweltphysik) an, und die Vorlesungen in Informatik (zumindest die aus dem undergraduate program) waren ausnahmslos in Afrikaans und es wurde strengstens davon abgeraten, diese zu besuchen, falls man nicht Afrikaans sprechen konnte.

Abgesehen von der akademischen Bildung, organisierte das International Office der Universiteit Stellenbosch eine große Anzahl an Vorlesungen anderer Natur. Man konnte einen Weinkurs belegen, der aus vier Vorlesungen und mindestens ebenso vielen Weinproben bestand ... Außerdem konnte man Afrikaans und Xhosa belegen oder in einer Vorlesung mehr über die südafrikanische Geschichte lernen.

Jakob Niemeyer (oben mitte) und internationale Studierende in DurbanJakob Niemeyer (oben mitte) und internationale Studierende in Durban
Zu Beginn des Studiums gab es eine verpflichtende Einführungswoche, in der es drei Tage lang Informationen für die internationalen Studenten gab. Wir wurden über das große HIV-Problem und über die hohe Kriminalitätsrate informiert. Außerdem wurden uns hilfreiche Verhaltensweisen ans Herz gelegt, die uns vor diesen Gefahren größtenteils schützen sollten.

Als ich in Stellenbosch ankam, hatte ich noch keine Unterkunft, sodass ich mich hier auf Wohnungssuche machen musste. Durch einen glücklichen Zufall bin ich an eine Wohnung in dem Studentenwohnheim „Academia“ gekommen. Die Appartments in Academia hatten einen Internetanschluss, aber das war auch schon das einzig Positive. Die Wohnungen waren teuer und es gab so gut wie keine Einrichtung und man musste sich alle Teller, Gläser, Töpfe selber kaufen. Eine private Wohnung im Stadtzentrum wäre sicherlich die bessere Lösung gewesen.

Surfen in MuizenbergSurfen in Muizenberg
Einen großen Kulturschock habe ich nicht bekommen. Dennoch gab es einige Umstellungen: zunächst einmal musste das Internet an der Universität und damit auch in den Studentenwohnheimen nach Downloadgröße teuer bezahlt werden, was das Surfen im Internet groß einschränkte. Dann gab es auch keine Mensa auf dem Campus, sondern nur Fastfood Restaurants. Und den nächtlichen Nachhauseweg musste man (oder besonders Frau) in größerem Gruppen zurücklegen.
Aber nichts desto trotz war das Campusleben sehr angenehm. Die Gebäude erstrahlten im frischen Glanz, viele Studenten saßen in der Mittagspause auf den Grünflächen des Campus und die vielen Sonnenstunden taten das Übrige. Es gab sehr viele universitäre Gemeinschaften, wie zum Beispiel den Surf-Club, den Kanu-Club, die Dance-Society, den Sailing-Club und vieles mehr. Diese Gemeinschaften waren der optimale Ausgangspunkt um südafrikanische Studenten neben dem Studium kennenzulernen, da man ansonsten eher mit anderen internationalen Studenten zu tun hatte.

Um neben dem Campusleben auch andere Dinge machen zu können, haben ich mir mit einigen anderen internationalen Studenten ein Auto gemietet. Das war das Beste was wir machen konnten, da wir so die beeindruckende Landschaft und das Leben abseits des europäischen geprägten Stellenbosch erfahren konnten. Wir haben die vielen touristischen Sehenswürdigkeiten wie Tafelberg und Kap der Guten Hoffnung angeschaut, waren oft am Strand, um die Sonne zu genießen, und haben in den vielen Nationalparks die artenreiche Tierwelt Südafrikas beobachtet. Außerdem war Kapstadt (bei Nacht) auch immer einen Besuch wert.

Der Tafelberg mit Blick auf KapstadtDer Tafelberg mit Blick auf Kapstadt

Um Südafrika auch von seiner anderen Seite kennenzulernen, habe ich mich an einem Freiwilligenprojekt angemeldet, welches Kindern aus dem Slum von Stellenbosch – Kayamandi – bei ihrer schulischen Ausbildung hilft. Dieses Projekt wurde vom International Office gegründet und stieß auf ein großes Interesse bei den internationalen Studenten. In diesem Projekt haben wir einigen Schulkindern am Nachmittag bei ihren Hausaufgaben geholfen und mit anderen Aufgaben versucht, ihnen mehr Wissen zu vermitteln. Die Kinder haben diese Hilfe gerne angenommen und es hat Spaß gemacht, mit ihnen zu arbeiten, auch wenn es die eine oder andere Sprachbarriere gab.

Mein Auslandssemester würde ich als einmalige Erfahrung bezeichnen, die ich zu Hause so nicht hätte machen können. Der Aufenthalt war auf jeden Fall all die lästigen Vorbereitungen wert, die man auf sich nehmen musste. Es gab für mich keinen Augenblick, in dem ich mir gewünscht hätte, lieber doch nicht nach Südafrika gegangen zu sein. Zwar gab es natürlich auch Tiefen, in denen ich das Leben in Deutschland vermisst habe, aber all die tollen Erfahrungen und Erlebnisse, all die netten Studenten aus der ganzen Welt haben diese Zeit einmalig werden lassen.
Was ich anderen Studenten, die auch ein Auslandssemester in Betracht ziehen, sagen würde, wäre, dass sie sich genug Zeit für die Vorbereitungen nehmen und sich um alles rechtzeitig kümmern sollten. Lasst euch nicht von dem großen Verwaltungsaufwand aufhalten, denn die Zeit im Ausland ist es auf jeden Fall wert.