Analyse von Integralgleichungen mit parameterabhängigen Kernen

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Duration: since 01/2003
Group leader: Lutz Justen
email: justen@math.uni-bremen.de
Tel: (0421) 218-4458

Physikalische Messinstrumente wie Massenspektroskope, Wärmesensoren oder auch optische Kameras haben sehr oft das Problem, dass die zu messenden Größen verfälscht werden. Dabei spielen zwei Einflüsse eine wesentliche Rolle: Degradierung durch Fehler im Messapparat oder im Messvorgang und Rauschen. Ein solcher Prozess lässt sich als eine Integralgleichung modellieren, in der die Degradierung durch den Integralkern und das Rauschen durch einen additiven Beitrag repräsentiert wird. Ist die Ursache der Degradierung, also der Integralkern, bekannt, handelt es sich um ein schlecht gestelltes, inverses Problem. Derartige Probleme sind gut untersucht, und Regularisierungsverfahren führen hier, mit zum Teil sehr guten Ergebnissen, auf gut gestellte, lineare oder nichtlineare Probleme. Gerade in der Bildverarbeitung ist die Bounded-Variation- Regularisierung sehr beliebt. Hierbei wird das Rauschen entfernt und gleichzeitig werden Kanten im Bild geschärft. In vielen Anwendungsgebieten ist die Ursache der Degradierung jedoch nicht vollständig bekannt oder verstanden. Beispiele sind Bewegungsunschärfe bei unbekannter Geschwindigkeit des Objekts oder sehr komplizierte physikalische Systeme, für die es kein befriedigendes Modell gibt. In diesen Fällen ist die Kernfunktion der Integralgleichung völlig unbekannt oder bestenfalls abhängig von einem oder mehreren Parametern. Sowohl die Messgröße als auch der Kern selbst müssen geschätzt werden. Derartige Probleme sind ungleich schwieriger zu behandeln und bisher kaum mathematisch analysiert. Erste, in der Literatur vorgestellte Verfahren schätzten Kernparameter durch Nullstellen der Fourier- transformierten Messgröße. Später wurden regularisierte Funktionale minimiert durch abwechselnes Festhalten von Kern und Bild. Beide Methoden führen das Problem im Wesentlichen auf den Fall des bekannten Kerns zurück.

   
Originalbild Degradiertes Bild (ohne Rauschen),   
hier mit Tiefenunschärfe    
Ohne Kenntnis des Integralkerns
rekonstruiertes Bild

Bei dieser "blinden Entglättung " macht vor allem die Nichteindeutigkeit der Lösung Probleme. Daher ist das erste Thema des Promotionsprojektes von Lutz Justen die Suche nach geeigneten Mitteln, um die Lösungsmenge einzuschränken. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Minimum-Norm-Kriterien, die auf verschiedenen Hilbert-Skalen angewendet werden können. Da sich dieser Ansatz wesentlich von der bisherigen Herangehensweise unterscheidet, werden Zusammenhänge zu bekannten Verfahren erläutert. Die Existenz und Eindeutigkeit von Minimum-Norm-Lösungen wird gezeigt und die Abhängigkeit von den Eingabedaten untersucht. Sind diese verrauscht, muss zusätzlich regularisiert werden. Dabei sind verschiedene Verfahren denkbar, wie Tikhonov-Regularisierung oder die Vorglättung der Daten. Die Einbindung von konvexen Zwangsbedingungen wie Nichtnegativität der Kernfunktion oder die Beschränkung des Trägers führt im Allgemeinen zu besseren Ergebnissen und wird untersucht.
Ein Anwendungsgebiet bietet die Zusammenarbeit mit der Bruker Daltonik GmbH: Zur Früherkennung von Eierstock- oder Prostata-Krebs werden in MALDI-TOF-Massenspektrometern Proteinspektren von Patienten erzeugt, um anhand der Protein-Verteilung Rückschlüsse auf das Krankheitsbild zu ziehen. Diese Spektren lassen sich mittels einer Integralgleichung mit parameterabhängigem Kern modellieren, so dass die Ergebnisse der Dissertation darauf angewendet werden können.


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