Als Webseite angepasste email zur
Resolution
von WissenschaftlerInnen zur Reform des Hochschuldienstrechts
von T. Kulawik, S. Lang u. B. Sauer, Sommer 2000
(redaktionelle Bearbeitung: KRAM, Kollegiumsrat der Akademischen
MitarbeiterInnen der Universität Bremen)
Date: Thu, 07 Sep 2000 18:46:52 +0200
To:
"FB3 Wimis Mathe" (math-wimis@informatik.uni-bremen.de),
"FB3 Wimis Informatik" (informatik-wimis@informatik.uni-bremen.de),
"FB3 HL Mathe" (math-hl@informatik.uni-bremen.de),
"FB3 HL Informatik" (informatik-hl@informatik.uni-bremen.de),
"FB3 Frauen" (frauen@informatik.uni-bremen.de)
From:
Sebastian Haunss (so6x006@public.uni-hamburg.de)
(by way of Eva Hornecker (eva@artec.uni-bremen.de))
Subject:
[hbs-stips] Resolution zur Reform des Hochschuldienstrechts
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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
derzeit werden Vorbereitungen für eine grundlegende Reform des
Hochschuldienstrechts eingeleitet. Wir halten die inzwischen
vorliegenden Vorschläge der von der Bundesministerin Edelgard Buhlman
eingesetzten Expertenkommission für unzureichend und kritikwürdig.
Wir haben einen offenen Brief an die Ministerin u.a. formuliert, in
dem wir zentrale Kritikpunkte und Forderungen zusammenfassen. Das
Schreiben werden wir in den kommenden Wochen bundesweit an
WissenschaftlerInnen zur Unterschriftensammlung verschicken.
Wir möchten Sie fragen, ob Sie bereit wären, den Brief zu
unterschreiben und diese mail an Ihre KollegInnen zur Unterschrift
weiterzuleiten.
Mit besten Grüßen
Dr. Teresa Kulawik (kulawik@mail.zedat.fu-berlin.de)
Dr. Sabine Lang (salang@zedat.fu-berlin.de)
Dr. Birgit Sauer (birgit.sauer@univie.ac.at)
Zum Verfahren:
Bitte setzen Sie Ihren Namen auf die ganz unten folgende Liste der
UnterzeichnerInnen. Schicken Sie diese mail an eine der drei o.g.
Organisatorinnen zurück und bitte leiten Sie sie gleichzeitig an
möglichst viele Ihrer KollegInnen weiter.
_____________________________________________________________
Resolution
von WissenschaftlerInnen zur Reform des Hochschuldienstrechts
An die Bundesministerin für Wissenschaft, Bildung und Forschung,
Edelgard Bulmahn
An die WissenschaftsministerInnen der Bundesländer
An den Wissenschaftsrat
An die Hochschulrektorenkonferenz
Wir, die unterzeichnenden WissenschaftlerInnen, halten die Vorschläge
der von der Bundesministerin eingesetzten Expertenkommission zur
Reform des Hochschuldienstrechts in mehrfacher Hinsicht für
unzureichend und diskriminierend. Zwar ist jede Initiative zu
begrüßen, die die Eigenständigkeit von NachwuchswissenschaftlerInnen
während ihrer Qualifikationszeit befördert. Gleichwohl enthalten die
im Gutachten gesetzten Rahmenbedingungen neuerliche Exklusionen, und
sie benachteiligen insbesondere Frauen:
1. Altersgrenzen
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß sowohl direkte wie auch
indirekte Altersgrenzen sich zu Lasten der Chancen von Frauen auf
Arbeitsmärkten auswirken. Dies ist auch im akademischen Bereich nicht
anders. Der Wissenschaftsrat hat dies in seinen Empfehlungen zur
Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Forschung 1998
bestätigt. Die im Reformgutachten vorgeschlagenen Altersgrenzen
(Studienabschluß mit 24 - 26 Jahren; Promotionsabschluß mit 27 - 29
Jahren, Ende der Juniorprofessur mit 35 - 37 Jahren) verlangen von
den NachwuchswissenschaftlerInnen ein 150prozentiges Engagement und
ein voll unterstützendes akademisches wie privates Umfeld. Frauen
können beides nicht im gleichen Maße vorweisen wie Männer.
Wir fordern deshalb die Abschaffung von Altersgrenzen im Hochschuldienstrecht.
2. Akademischer Werdegang
Durch die Einführung enger Altersgrenzen werden berufsspezifische
'Umwege' in die Wissenschaft verstellt. Die soziologische
Berufsforschung hat längst nachgewiesen, daß die Qualifizierung für
bestimmte Tätigkeiten nicht durch eindimensionales Verfolgen des
Karriereziels erworben wird. Vielmehr wirken gerade berufspraktische
Erfahrungen in Wirtschaft, Kultur, Politik sowie Auslandsaufenthalte
befruchtend auf die akademische Lehre und Forschung. Die
Expertenkommission schließt mit der Engführung akademischer
Qualifikationverläufe solche 'Berufsumwege' faktisch aus.
Wir fordern deshalb bei der Revision des Hochschuldienstrechts die
stärkere Berücksichtigung von außeruniversitärer sowie ausländischer
Berufserfahrung im Hinblick auf die Auswahl von HochschullehrerInnen.
3. Kindererziehungszeiten
Der Bericht der Expertenkommission nimmt auf die Geburt und Erziehung
von Kindern, die für die Mehrzahl junger
NachwuchswissenschaftlerInnen in die Zeitspanne der Qualifizierung
(Promotion, Post-doc) und der Juniorprofessur fällt, keinerlei Bezug.
Die Gutachter-Formulierung "Die Juniorprofessur soll ... in der Regel
im Alter von 35 bis 37 Jahre enden" läßt zwar formalrechtlich eine
Berufsunterbrechung infolge von Erziehungszeiten zu. Sie statuiert
aber faktisch ein Leitmodell, dem die Mehrzahl der Frauen nicht wird
entsprechen können. Schon jetzt zählt Deutschland in
hochqualifizierten Beschäftigungen zu den Ländern mit dem geringsten
Anteil von Frauen mit Kindern. Durch dieses Leitmodell wird die
Tendenz zur erzwungenen Kinderlosigkeit bei Wissenschaftlerinnen
weiter verschärft.
Wir fordern deshalb eine explizite Formulierung in der Revision des
Hochschuldienstrechts, die das Bewußtsein des Arbeitgebers für
potentielle Berufsunterbrechungen beider Geschlechter in dieser
Lebensphase kenntlich macht. Es dürfen aus einer erziehungsbedingten
Unterbrechung keinerlei Nachteile in bezug auf
Qualifikationsförderung und Berufung entstehen.
4. Junior Professur und Alternativwege
Wir begrüßen die Einführung der Juniorprofessur grundsätzlich, sehen
aber in ihrer Ausgestaltung sowie in der Beibehaltung der alten
Personalstruktur keine adäquate Öffnung des Berufsfelds. Zwar findet
die Etablierung der Juniorprofessur in Anlehnung an ausländische
Vorbilder statt. Die dort existierenden Optionen, auch unterhalb der
Professorenebene dauerhafte und unabhängige Tätigkeiten in Forschung
und Lehre auszuüben (z.B. als Lecturer und über Drittmittel) greift
das Gutachten aber nicht auf. Die Juniorprofessur wird zudem mit
Leistungsanforderungen überfrachtet, die international keineswegs
üblich sind. In den USA setzt die Entfristung der Assistenzprofessur
in Geistes- und Sozialwissenschaften eine Monographie und nicht zwei
- wie im Gutachten vorgeschlagen - voraus. Die bisherigen
Qualifizierungszeiten in Deutschland sind nicht deshalb so lang, weil
die Nachwuchswissenschaftler zu wenig arbeiten, sondern weil sie mit
zu vielen Pflichten überhäuft werden. Es steht zu befürchten, daß die
Juniorprofessur ohne realistisch formulierte Leistungskriterien das
Problem eines durchlässigen Karrierewegs nicht lösen, sondern - mit
neuen Rechten und damit Pflichten ausgestattet - eher noch
verschärfen wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Vorschlag,
Wissenschaftler mit alternativen Qualifizierungswegen zunächst nur
mit einem Zeitvertrag, ohne jeden Anspruch auf Entfristung,
einzustellen. Eine besondere Härte bedeutet dies für diejenigen
WissenschaftlerInnen, die das bislang übliche Habilitationsverfahren
abgeschlossen haben oder kurz davor stehen.
Wir fordern deshalb die Formulierung international vergleichbarer
Leistungsanforderungen für die Qualifizierungsphase zwischen
Promotion und Lebenszeitprofessur sowie die weitere Diversifizierung
des akademischen Arbeitsmarkts, z.B. durch die Einführung von
Lectureships sowie der eigenständigen Drittmittelforschung für
Promovierte. Zeitverträge bei Professorentätigkeiten - mit Ausnahme
von Vertretungen - sollten die Möglichkeit der Entfristung nach
Evaluation vorsehen.
UnterzeichnerInnen:
Dr. Teresa Kulawik, Freie Universität Berlin
Prof. Wolfgang Fach, Universität Leipzig
Dr. Sabine Lang, Freie Universität Berlin
Prof. Margit Mayer, Freie Universität Berlin
Prof. Wolf-Dieter Narr, Freie Universität Berlin
Prof. Hildegard-Maria Nickel, Humboldt Universität zu Berlin
Prof. Ilona Ostner, Universität Göttingen
Prof. Roland Roth, Fachhochschule Magdeburg
Dr. Birgit Sauer, Universität Wien
PD Dr. Susanne Schröter, Universität Frankfurt
PD Dr. Richard Rottenburg, EUV Frankfurt / Oder
Dr. Andreas Etges, Freie Universität Berlin
Katja Mertin M.A., Freie Universität Berlin
Dr. Tanja Hommen, Universität Göttingen
Dipl. Volkswirt Wolfgang Strengmann-Kuhn, Goethe Universität Frankfurt
Dipl. oec. Annika Notz, Universität Bielefeld
Gabriele Wilde, M.A., Freie Universität Berlin
Dr. des. Gabriele Abels, Technische Universität Berlin
Dr. Manuela Schwarz, Fachhochschule Magdeburg
Thomas Kreuzer M.A., Universität Bielefeld
Dr. Wulf Werner, Freie Universität Berlin
Dr. Kathrin Braun, Universität Hannover
Dr. Karin Benz-Overhage, IG Metall Vorstand
Dr. Gudrun Trautwein-Kalms, WSI in der Hans-Böckler-Stiftung
Dr. Christine Färber, Competence Consulting, Potsdam
Dr. Christina von Hodenberg, Universität Freiburg, Harvard University
Anja May, Universität Frankfurt
Prof. Dr. Rebecca Habermas, Universität Göttingen
Dr. Ursula Birsl, Universität Göttingen
Prof. Dr. Ingrid Breckner, TU-Hamburg-Harburg
Dr. Christine Hannemann, Humboldt Universität zu Berlin
Prof. Dr. Martina Loew
Dipl. Päd. Barbara Heisig, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Dr. Sabine Lang Wissenschaftliche Assistentin Freie Universität
Berlin FB Politik- und Sozialwissenschaften, salang@zedat.fu-berlin.de
Leitungskollektiv der PromovendInnen der Hans-Böckler-Stiftung
Sebastian Haunss, Dipl. pol., Universität Hamburg