Protokoll der 14. Sitzung des III. Kollegiumsrates der akademischen MitarbeiterInnen der Universität Bremen (Montag, 8.11.1999, 17 — 19 Uhr, SFG 1040)

Keine Anwesenheitsliste, da die Sitzung öffentlich war.
Protokoll: Cecile Sanden, Carola Iller, Joachim Schalthöfer und die TeilnehmerInnen der KRAM-Sitzung vom 6.12.1999

Die breit gefächerte Diskussion über Veränderungen der Wissenschaftslaufbahn und der neuen Personalstruktur an Hochschulen, mit der sich auch der KRAM beschäftigt, wurde - nach einer kurzen Einführung von Carola Iller - fortgesetzt durch den Gastreferenten Karl-Heinrich Steinheimer aus Stuttgart (ÖTV-Vorstandsverwaltung). Herr Gerd Köhler aus Frankfurt, Mitglied des Hauptvorstandes der GEW für den Bereich Hochschulen und Forschung, konnte aufgrund einer Erkrankung nicht nach Bremen kommen, so daß Gerhard Zacharias (GEW-Landesvorstand) für ihn eingesprungen ist.

Referiert und diskutiert wurde über das Thema "Leistungsbezogene Bezahlung in Universitäten? Grundlagen für eine wissenschaftliche Personalstruktur."

Herr Steinheimer beginnt mit einer Einschätzung darüber, was die positiven Impulse aus der Diskussion der PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen um leistungsbezogene Bezahlung insbesondere auf den akademischen Mittelbau auslösen. Er fragt nach den Karrierewegen und alternativen Wegen in das Tätigkeitsfeld der "Professur", was er generell in der akademischen Nachwuchsausbildung als einen zu eng gefaßten Ausbildungsweg kritisiert. Weiterhin fragt er nach der Abschaffung der Habilitation, und anstelle dieser nach einer adäquaten Qualifizierung über Berufserfahrung. Die Reformvorschläge, die auf allen politschen und wissenschaftlichen Ebenen diskutiert werden, sollen allerdings nicht die gesamte akademische Struktur erfassen, sondern lassen seiner Ansicht nach das Professorenamt aus.

Eine weitere Frage, die Steinheimer vorbringt, ist die, was in Bremen als einer in der Reform bereits weiter fortgeschrittenen Uni möglich ist. Das Bundesland Bremen spielt derzeit eine Vorreiterrolle im Globalhaushalt und in der Organisationsentwicklung. Das Problem bei der leistungsbezogenen Bezahlung ist seiner Ansicht nach jenes, daß viele an Unis Tätigen annehmen, sie erbringen sehr gute Leistungen, auf der anderen Seite steht jedoch die "Kostenneutralität". Alle politischen Parteien sind einhelliger Meinung, daß es Reformen in der Personalstruktur geben muß. Steinheimer fordert, daß Bund und Länder gemeinsam am Gelingen arbeiten müssen.

Eine Expertenkommission der Gewerkschaft hat im März 1998 ein Diskussionspapier zur Personalstruktur für Hochschulen erstellt, das immer noch aktuell ist. Das Konzept sieht folgende Punkte vor: 1. Eigenständige, autonome Hochschulen (mit eigenem Haushalt), 2. Wirtschaftsplan, und 3. kein staatlich vorgegebener Stellenplan.

Laut Steinheimer liegt eine der zukünftigen Aufgaben der Hochschulen insbesondere in der Weiterbildung. Der größte Teil der Zuwendung wird weiterhin vom Staat kommen müssen, jedoch wird es zusätzliche Einnahmequellen geben. Das Personal ist so einzusetzen, daß es seine Aufgaben (vielfältige Aufgaben im akademischen Bereich) — ohne Unterscheidung nach den Finanzierungsquellen erfüllen kann. Steinheimer kritisiert, daß z.B.: im Beamtengesetz viel zu viel geregelt ist, so daß Tarifverträge sinnvoll wären. Er schlägt vor, daß Befristungsregelungen tarifvertraglich geregelt werden. Generell muß seiner Ansicht nach die Personalstruktur neu geregelt werden, indem sie sich nicht an der Qualifizierung, sondern an den Aufgaben orientiert. Die Universitäten müssen die Aufgabe der Nachwuchsförderung erfüllen, andererseits müssen sie darauf achten, daß Qualifizierung und Aufgabenerfüllung gleichermaßen erreicht werden. Das Ausbildungsziel zum Professor / zur Professorin sollte in die Richtung geändert werden, daß junge Menschen qualifiziert werden, um wissenschaftlich arbeiten zu können, z.B. auch in einer Forschungseinrichtung. Es muß einen ständigen Austausch zwischen Wirtschaft und Gesellschaft und Hochschule geben. D.h. daß zwischen Wirtschaft und sonstigen Forschungsinstitutionen auf der einen Seite und den Hochschulen auf der anderen stets oder zu bestimmten Zeitpunkten ein Personalwechsel möglich sein soll. Die hierarchische Zuordnung von Stellen zu Personen muß aufgehoben werden, indem Personen nicht Lehrstühlen, sondern Fachbereichen oder Struktureinheiten zugeordnet sind. Damit soll die sklavische Zuordnung in Abhängigkeit zugunsten einer Zuordnung zu Arbeitsbereichen mit einer Fachvorgesetztengemeinschaft ersetzt werden. Steinheimer fordert einen einheitlichen Status "wissenschaftliche Beschäftigte" mit Dienstleistung und Qualifizierungsaufgaben, in dem es eine gleiche rechtliche Grundlage für alle — sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse — gibt (keine Stipendien). Für die Qualifizierung sieht Steinheimer Befristungen vor, u.a. für Promotionen. Jedoch ist es Aufgabe der Hochschulen, im Bereich Dienstleistung unbefristete Arbeitsverhältnisse als Regel einzusetzen (nur sinnvolle Ausnahmen zulassen wie z.B. Auslandsphasen u.ä.).

Die Habilitation soll ersatzlos gestrichen werden, jedoch muß sich nach der Promotion eine Postdokphase anschließen, in der es auch Perspektivgespräche — wird die Person HochschullehrerIn? — geben muß. Beschäftigte mit Dienstleistungsaufgaben (Lehre, Forschung etc.) sollen unbefristete Stellen erhalten. Damit gibt es die Möglichkeit, aus dem Qualifizierungsbereich in den Dienstleistungsbereich zu wechseln und umgekehrt. Für Habilitationsstellen sollen Hochschulen Stellen ausschreiben, jedoch ohne förmliche Qualifikationsfeststellungsverfahren. Generell muß es einen gender main stream geben, d.h. eine Chancengleichheit und Gleichstellung. Die Personalstruktur und die leistungsabhängige Bezahlung soll durch Tarifverträge geregelt werden.

Gerhard Zacharias (Universität Bremen, GEW) stellt fest, daß die Positionen der beiden Gewerkschaften sehr nahe beieinander liegen. Auch die GEW ist "für eine aufgabengerechte Personalstruktur", für Enthierarchisierung, gegen Formalqualifikation, statt dessen für Aufgabenqualifizierung. Die Qualifizierung sollte vorrangig durch Stellen und nicht durch Stipendien stattfinden. Die GEW ist gegen die mißbräuchliche Verwendung von befristeten Assistenten- und Promotionsstellen für dauerhafte Aufgaben. Es sollte einen eigenständigen "Tarifvertrag Wissenschaft" geben (der politisch und rechtlich hochbrisant ist), wie in einem Papier der GEW von Mai 99‘ vorgestellt. Ein solcher Tarifvertrag muß hochschulspezifische Aspekte (Lehrpflichtverordnung), und andere hochschulspezifische Tatbestände wie Anwesenheit, Veröffentlichungen etc. einbeziehen.

Fragen an die Referenten und ihre Antworten:

Auf die Frage, ob nicht die Hochschullehrerverbände- und Organisationen und Ministerien eine Gegenposition beziehen und die Verantwortung für die Qualifizierung (Eigenverantwortung) nach unten verlagern, sagt Steinheimer, daß es die Assistenzprofessur in Zukunft geben wird. Dabei geht es um ein sukzessives Gestalten und Heranführen an das wissenschaftliche Arbeiten, anstatt unmündiges Unterstellen. Es kommt auf möglichst eigenständige Arbeit an, wobei ein Mentorenverhältnis der Idealfall wäre.

Kostenneutralität? Wird eine Reform nicht unter dem Deckmantel der Kostenentlastung und Umschichtung durchgeführt? Eine leistungsabhängige Bezahlung wird auch bei ProfessorInnen kommen; eine leistungsabhängige Bezahlung wird jedoch in keinem Fall kostenneutral ausfallen, wenn, so das Ziel der Gewerkschaft, der Beamtenstatus in Angestelltenstatus umgewandelt wird. Dies darf jedoch nicht zu schlechteren Bedingungen derjenigen führen, die in den nächsten Jahren eingestellt werden. Die Massenuniversitäten können sich darüber hinaus weniger ProfessorInnen nicht leisten. Es sollte eine Grundvergütung geben, wobei das ProfessorInnengehalt etwas abgesenkt werden könnte, um Finanzspielraum für Leistungszulagen zu gewinnen, die dann leistungsbezogen verteilt werden.

Promotion: Drittelung? Ist eine scharfe Trennung im Tarifvertrag möglich? Bei einem Stipendium hat die Person relative Unabhängigkeit. Wie sieht es dann mit der Habilitation aus?

Grenzen in der Qualifizierung sind schwer festzulegen. Allgemein gilt, daß diejenigen, die berufen werden wollen, nach der Habilitation meist schon zu alt sind (auch im internationalen Vergleich). Promovieren heißt auch qualifizieren, wobei marginal Lehraufgaben wahrgenommen werden sollten sowie Management-Aufgaben, da es hauptsächlich um die Qualifikation geht. Anstelle der Habilitation sollte es habilitationsgleiche Leistungen geben. Die Habilitation ist jetzt schon nicht mehr der Regelfall.

Tarifvertrag und Promotion? Die Promotionsphase darf nicht nur auf Stipendienbasis laufen, sondern als Beschäftigungsverhältnis mit sozialer Absicherung.

Perspektivgespräch? Das Perspektivgespräch sollte in ein Arbeitsverhältnis auf Probe führen, worin die Eignung der Kandidatin / des Kandidaten in der Wissenschaft geprüft wird. Die Hochschulen müssen in die Pflicht genommen werden, Perspektiven zu eröffnen. Beschäftigte sind zukünftig vielleicht Beschäftigte der Hochschulen und nicht Landesbedienstete, so daß die Hochschulen ein eigenes Personalmanagement brauchen. Die Nachwuchsförderung ist viel zu stark auf den Beruf des Professor / der Professorin fokussiert. Dabei gibt es einen Arbeitsmarkt, der sich immer mehr verwissenschaftlicht. Die Selbständigkeit an der Universität wird viel zu wenig gefordert (Lehre + Forschung). Es wird betont, daß Potential verschenkt wird, indem 40-jährige wie unmündige Kinder gehalten werden. Die selbständige Arbeit von Habilitierenden wird z.B. auch vom DAAD ausgeschlossen: Steinheimer ist der Ansicht, daß die Assistenzprofessur kommen wird, womit auch in diesen Bereichen Defizite erkannt und abgeschafft werden.

Das Konzept der ÖTV für Unis kompatibel mit den Verhältnissen an Fachhochschulen? Es wird keine Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen vorgenommen, da in den FH langsam ein Mittelbau entsteht und sich somit dort auch die gängigen Hochschullaufbahnen entwickeln.

Wer ist Tarifpartner? Steinheimer sagt, daß es eine bundeseinheitliche Regelung geben sollte vergleichbar der heutigen Tarifgemeinschaft der deutschen Länder. Von der Arbeitgeberseite müssen flexible Arbeitszeit, leistungsabhängige Bezahlung sowie eine sachgerechte Befristungsregelung und zusätzliche Altersversorgung angeboten werden. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sind zu stark bzw. strikt und müssen an die hochschulspezifischen Aspekte angeglichen werden (vielleicht durch einen BAT-Anhang für die Wissenschaft, d.h. für Hochschulen und "blaue Liste"). Generell (und abschließend) geht es für Steinheimer um eine stärkere Personalentwicklung sowie um Personalmanagement an den Hochschulen.

Die Ergebnisse aus den Vorträgen und der Diskussion werden mit der Position der KRAM-AG "Nachwuchsförderung" (Carola Iller, Cecile Sandten, Wolfram Sailer) zu einem Artikel im BUS (Januar / Februar) zusammengefaßt.